Kind & Karriere
Zeit Online hatte am 25. Juli ein Interview Linda Becker, einer Managerin in einer Personalberatung. Ihr Mann ist unter der Woche im Ausland und die Frage war, wie sie Kinderbetreuung mit den Belastungen aus ihren Berufen unter einen Hut bekommt. Titel: »Managerin und Familie – Ein Gehalt komplett für die Kinderbetreuung«
Bei diesem Artikel fiel mir eigentlich das erste Mal richtig auf, dass es in den Medien immer lautet »Kind & Karriere«. Wobei Karriere – mal subtil, mal auffällig – gleichgesetzt ist mit mindestens Managerposten. Immer wird dieses Bild der idealisierten Power-Frau verkauft. D’runter machen sie’s nicht.
Und ich frage mich ernsthaft, warum ist das so? Welches Menschen- und Berufsbild wollen denn die Medien transportieren, wenn sie die Frage immer nur in diesem Kontext stellen?
Ist das dieser Leistungsgedanke?
Was ist mit all den Kindergärtnerinnen, Arzthelferinnen, Krankenschwestern, Sekretärinnen, …. die eben nicht in leitende Positionen aufsteigen können oder wollen? Kann ein Mensch sich denn nur selbst verwirklichen, wenn er auf leitende Positionen aus ist oder diese inne hat? Ist denn die Vereinbarkeit dieser Berufe mit Familien nicht genauso schwer, vielleicht sogar noch schwerer weil viel weniger Geld zur Verfügung steht?
Sind denn diese Geschichten weniger würdig, erzählt zu werden?
Ich würde gern öfter auch in den Medien die normalen Berufe im Kontext von Vereinbarkeit von Beruf- und Familie berücksichtigt sehen. Ganz alltägliche Geschichten darüber, wie es diese Familien schaffen, den täglichen Wahnsinn mit ihren Berufen unter einen Hut zu bekommen. Und das bitte auch im richtigen Ton.
Keine Karriere? Undenkbar!
Es gibt sie nämlich wirklich. Die Menschen, die auch ganz ohne Aufstieg in die Managersphären in ihrem Beruf glücklich sind. Und das auch ohne Arzt, Anwalt oder BWL-ler zu sein. Und das ist auch dann der Fall, wenn das die Vorstellungskraft eines Zeit-, oder SPON-, oder …-Redakteurs übersteigen mag.
Vielleicht wären solche Geschichten sogar interessanter, spannender, weil lebensnaher? Eine Kindergärtnerin muss vielleicht im Alltag noch mehr leisten als eine Managerin in einer Personalberatung, deren Mann im Ausland ist? Denn die können sich kein Au-pair zusätzlich zum Ganztagskitaplatz leisten. Die sind froh, wenn sie überhaupt einen Ganztagskitaplatz bekommen. Ganz zu schweigen von Berufen mit Schicht- und Wochenenddiensten.
Und nicht zu vergessen all die Menschen, die nicht in einem sie erfüllenden Beruf arbeiten. Ich wage zu behaupten, auch diese Träumen nicht unbedingt von einem Managerposten. Sondern eher davon, dass ihr Leben vielleicht ein klein wenig leichter wird. Vielleicht einfach nur davon, dass sie ihre Kinder zu vernünftigen Zeiten gut betreut wissen. Ist denn deren Organisationsleistung weniger erwähnenswert als die einer Managerin?
Stattdessen stellen die Medien auf Glitzerstories einer Marissa Mayer ab. Präsentieren diese Frauen als das Ideal, dem es nachzueifern gilt – wenn man sich nicht gerade für ein Hausfrauendasein entschieden hat.
Oder ergötzen sich daran, wie eine Kristina Schröder ihr Kind und ihren Beruf unter einen Hut bekommt.
Ohne auf die Frage einzugehen, ob Kristina Schröder in ihrer aktiven Ministerzeit ihrem Kind ausreichend Zeit schenken konnte. Aber mit dem Ministergehalt von Kristina Schröder, dem Staatssekretärsgehalt von Ole Schröder und dem güldenen 5-Sterne Bundestagskitaplatz bekommt das wohl jeder gebacken. Das sind Wohlstandsprobleme, die die meisten Menschen gern hätten.
Und bei allem Respekt vor dem Verdienst von Marissa Mayer für Yahoo! und dass sie dem Thema »Vereinbarkeit von Familie und Beruf« in dieser Firma wohl gute Impulse verpasste. Aber sie ist weder Ideal, noch Idol.
Das nämlich, liebe Zeit, sollten die stinknormalen Männer und Frauen da draußen sein. Und dazu zählt doch eigentlich auch Ihr persönlich oder der ein oder andere Eurer Kollegen und Kolleginnen?