Bryan Adams, Sechs Saiten und eine Maus

Rückblickend werden wir wahrscheinlich nie den Zeitpunkt festmachen können, wann es begann.

Vielleicht ja schon im Mutterleib. Als ich der Maus jede Nacht vor dem Schlafen ein Gute-Nacht-Lied sang. Durch die Bauchdecke. Und danach „Gute Nacht Baby!“ wünschte. Man liest ja allenthalben, wie wichtig frühkindliche Bildung ist.

Denkbar wäre auch, dass der Musikkurs seinen Anteil daran hat. Den hatten wir angefangen, da war sie 9 Monate jung. Uns hat er Spaß gemacht. Und sie liebte das Singen und Tanzen von Anfang an.

Sicher ist, dass der Kindergarten das seinige dazu tat. Die Gitarre, die eine Erzieherin jeden Morgen im Stuhlkreis spielt, wenn sie die KiTa-Gruppen-„Hymne“ spielen.

Zwei Monate war sie im Kindergarten. Sie sprang gerade genüsslich auf ihrer Hüpfmatratze als es geschah. Sie hielt plötzlich inne und trällerte die Kita-Gruppen-„Hymne“. Dazu legte sie eine Hand an die Brust und strich sie nach unten und wieder nach oben.

Hatte meine Tochter gerade Luftgitarre gespielt?

Ja’ha! Und seither tut sie das dauernd. Ist ja auch echt praktisch so eine Luftgitarre. Wo sie geht und steht – ihre Luftgitarre hat sie immer dabei.

Neulich wollte ich in iTunes ihre Musik anmachen. Und da geschah es. Groß und deutlich prangte Bryan Adams auf meinem Monitor. Mit einer Gitarre in der Hand. Sie zeigt d’rauf und sagt „GITARRE!“

Eigentlich wollte ich nur sehen, wie weit ihre Begeisterung reicht. Also suchte ich Bryan Adams bei YouTube und fand „Heaven“ – unplugged. Sie saß auf meinem Schoß als wir das Video anschauten. Gefesselt. In eine andere Welt versunken. Sie drehte sich einmal kurz zu mir um und lächelte mich an. Dieses „Wow! Wie geil ist das denn?!“ Lächeln. Sie war hin und weg.

Jetzt schauen wir Bryan Adams‘ „Heaven“ unplugged mehrmals pro Woche. Und sie liebt es ihn Gitarre spielen und singen zu sehen und zu hören.

Ein Arbeitskollege erwähnte, er habe noch eine Spielzeug-Gitarre zu hause. Die halte nur keine Ton. Aber zum Klimpern täte es sie allemal. Er könne sie uns gern leihen.

Als die Tochter kurz mir der Frau in der Waschküche war, stellte ich die Gitarre ans Sofa. So, dass sie sie sehen musste, wenn sie zurück kam.

Sie sah sie natürlich sofort. Würde mich jemand fragen, wie ein Kind aussieht, dass sich richtig derbe über ein Geschenk freut, es wäre dieser Moment. Dieses Lächeln. Dieser „Wow! Eine Gitarre! Für mich?!“ Blick. Für manche ist es nur ein Instrument. Für meine Maus scheint es eine Offenbarung zu sein.

Die Gitarre geht seither mit schlafen. Natürlich nicht ins Bett. Aber auf den Nachttisch neben das Bett. Dahin darf sie sie legen. Dort muss sie die Nacht über liegen.

Und jetzt im Urlaub – ihr Bär, ihre Puppe und ihre Gitarre. Die mussten mit.

Acht Jahre hab ich nicht gespielt. Nicht, dass ich je gut gewesen sei. Als Autodidakt. Aber in acht Jahren rostet man wirklich ein. Ich kann mich nur grob an die Grundakkorde erinnern. Aber egal. Ihre Begeisterung für die Gitarre ist ansteckend. Also holte ich meine alte E-Gitarre wieder aus dem Keller.

Sie setzte sich vor mich und hing mit ihren Augen und Ohren an meiner Gitarre wie ein Twitterer vor seinem Handy. Dabei spielte ich gar nicht. Ich versuchte mich nur zu erinnern. Und meine Finger dazu zu bringen, meinem Kopf zu gehorchen.

Sollte die Tochter je mit dieser Begeisterung lernen eine echte Gitarre zu spielen – Bryan Adams trägt seinen Anteil daran. Soviel ist sicher.