Sorgst Du dich nur oder helikopterst Du schon?

„Abgrund unterm Regenbogen“ hat „Die Zeit“ eine verstörende Recherche in Kindergärten betitelt.

Die Autorin beschreibt einen Fall, in dem drei Erzieherinnen acht Kinder misshandelt haben sollen. Die Erzieherinnen sollen der kleinen Anna und sieben weiteren Kinder gegen deren Willen Essen in den Mund geschoben und mit Flüssigkeit nachgespült haben, bis die Kinder schlucken mussten. Sie sollen Kinder bestraft haben in dem sie sie mit Klebeband an Händen und Füßen an Stühlen fixierten. Und noch viel schlimmeres.

Mit zitternden Händen las ich den Artikel. Und wie ich das hier schreibe zittern sie wieder.

Eine Sache an dem Artikel hat mich jedoch nicht nur schockiert, sondern sehr, sehr nachdenklich gemacht:

Die Eltern wundern sich. Anna schläft so schlecht. „Anna Angst“, ruft das Mädchen eines Abends. […] „Tanja macht immer so. Tanja zankt.“ Die Eltern geben nicht viel darauf. Auch nicht, als sich die Tochter selbst schlägt: „Tanja so gemacht!“ Bloß nicht überbesorgt sein.

und weiter unten dann:

„Einmal“, sagt Silke Neumann, „hab ich Anna total verstört abgeholt.“ Als sie in der Kita nachfragte, erzählten Erzieherinnen von einem Streit um ein Glas Wasser. Wer will sich da als Helikopter-Mama lächerlich machen?

Bei längerem drüber nachdenken glaube ich, an den hervorgehobenen Stellen ist mehr wahres als mir lieb ist. Das trifft bei mir einen Nerv.

All die Artikel und Bücher, großen Spiegel-Serien und Brandbriefe von Lehrern über Eltern, die ihrem Nachwuchs nichts mehr zutrauen — nichtmal für sich selbst zu handeln und zu sprechen — haben mich und sicher auch noch andere Eltern verunsichert. Wo hört berechtigte Sorge auf und wo fängt Helikoptern an?

Ich reflektiere öfter mein Verhalten gegenüber meiner Tochter und prüfe auch, ob ich mich ihrem Alter gemäß um sie sorge oder ob ich nicht manchmal überbesorgt sei. Man will ja nicht als Helikopter-Papa verschrien sein.

Dabei ist das ganz großer Quatsch.

Helikopter-Eltern betrachten ihren Nachwuchs nicht als eigenständige Menschen sondern eher als verlängerten Arm ihrerselbst. Helikopter-Eltern trauen ihrem Nachwuchs nichts zu — nichtmal für sich selbst zu sprechen. Sie tragen ihnen die Ranzen an den Platz und lösen jeden — auch einen konstruierten und eigentlich nicht vorhandenen — Konflikt für die Kinder und über deren Köpfe hinweg.

Vielleicht sag ich manchmal zu schnell oder zu oft „pass auf, stoß Dir nicht den Kopf“ oder „halt Dich gut fest!“. Ich bin doch nur ein Vater der sich um sein geliebtes Kind sorgt. Und niemand wägt jeden Satz dreimal ab bevor er ihn spricht.

Aber von Helikoptern bin ich doch meilenweit entfernt. Ich vertraue auf ihre Fähigkeiten. Ich beobachte ihre Konflikte und schreite nur ein, wenn ich das Gefühl habe, dass es notwenig ist bevor es eskaliert. Ich lass sie auf dem Spielplatz ihre Grenzen austesten hab aber immer eine tröstende Schulter für sie, wenn sie diese braucht.

Ich höre ihr zu, wenn sie was erzählt und nehme sie ernst. Wenn sie sagt, sie habe Angst, ignoriere ich das nicht, sondern versuche herauszufinden wovor und warum. Aber so sollte das doch sein, oder? Kurz, ich versuche eine Balance an Sorge und Zutrauen zu finden und zu wahren; ihrem Alter entsprechend.

Und doch verunsichert mich das viele Gerede und Geschreibe von der Übersorge und dem Verwöhnen. Und wie man an dem Artikel erkennt wohl nicht nur mich.

Das aber kanns doch nicht sein, oder?!

Wie denkt Ihr darüber? Habt ihr ähnliche Sorgen und Gefühle?