Die Welt, die wir Euch hinterlassen
Als Kind – es muss so um die Jahre 1985 oder 1986 gewesen sein – glaubte ich an die Macht der Erwachsenen. Ich dachte, dass sie die Geschichte sich schon irgendwie zum Guten wenden werden.
Dass es die Generation meiner Eltern und Großeltern schon noch irgendwie reißen wird. Sie waren doch schließlich die Erwachsenen und verstanden, was in der Welt passierte. Sie hatten doch schließlich die Verantwortung für unseren Planeten und für uns. Und manche dieser Generation hatte doch auch die Macht, die Geschicke der Welt zu lenken – so, dass daraus gutes erwachsen müsse.
Und sie liebten uns doch. Uns, ihre Kinder.
Sie würden uns doch keinen kaputten Planeten hinterlassen?
Es war die Zeit des kalten Krieges. Für uns Kinder eine abstrakte, diffuse Bedrohung. Aber sie war da. Im ZDF lief »The Day After« und ich durfte ihn schauen. In der Schule war der Film Gesprächsstoff.
Es war die Zeit des großen Waldsterbens und der »Rettet den Wald«-Kampagnen. Die Grünen begannen die Politik aufzumischen und ein Umweltminister wurde in Turnschuhen vereidigt. Schlagworte waren Tschernobyl, Perestroika und Abrüstungsgesprächen. Die Zeit von »Live Aid« und »USA for Africa«, von Greenpeace und dem Untergang der »Rainbow Warrior«.
Leid auf der Einen. Fürchterlicher Hunger in Afrika. Es gab viele Kriege, Tod und Elend in der Welt. Aber auch viele Menschen die dieses Leid lindern wollten und sich engagierten.
Aber für mich war das auch eine Zeit der Hoffnung für Frieden und eine positive Zukunft. Vielleicht war das der Grund für meine Annahme, unsere Eltern würden es schon irgendwie richten. Rund um die Grünen, um Brokdorf oder Wackersdorf schien es eine große bürgerliche Bewegung in Deutschland zu geben, die sich sehr reale Sorgen über die Zukunft machten und Dinge ändern wollten. Und das auch verdammt laut sagten.
Und die täglichen Nachrichten führten meinen Eltern doch schmerzlich vor Augen, dass es so nicht weitergehen konnte. Das wir Menschen dabei waren die eigene Zukunft und die der Kinder zu verspielen.
Es war die Zeit, als Grönemeyer »Kinder an die Macht« sang und White Lion »When the children cry«.
Und heute weiß ich, wie naiv man mit 10 Jahren sein kann.
Es tut mir unendlich leid. Es tut mir leid, dass die Generation Deiner Großeltern die Zeichen der Zeit offensichtlich doch nicht verstanden wie ich es als Kind hoffte. Obwohl es so viele Mahner gab. Es tut mir leid, dass auch meine Generation es bis heute nicht verstanden hat. Gerade meine Generation. Wir haben in den 90ern nicht verstanden, dass wir es nun sein müssten, die diesen Planeten vor uns selbst beschützen. Wir waren die Fun-Generation, die lieber Party und Love-Parade machten als sich richtig ein- und unsere Eltern aufzumischen.
Wir haben nicht verstanden, dass die Love-Parade zwar ein tolles Happening war, aber diese Welt durch Tanzen und das Wort »Liebe« noch lange nicht liebevoller wird.
Und meine Generation hat die Politik den Strebern überlassen. Die die damals in der Schule schon so komisch waren. Das haben wir nun davon, dass uns anderes so viel wichtiger war als die richtigen Fragen zu stellen. Meine Generation schien früh schon verlernt zu haben, dass Demokratie nicht auf Bäumen wächst und wir sie uns jeden Tag aufs neue erkämpfen müssen.
Mein Schatz, nun sind wir es, die Euch einen kaputten Planeten hinterlassen. Ein Europa mit Krisen und Kriegen. Ein kaputtes Europa in dem das Recht des Stärkeren die Kraft der Vernunft und des Wissens zu verdrängen scheint. Ein kaputtes Europa, das mit den Ideen und Idealen von Churchill, Giscard d’Estaing, Adenauer oder Brandt nichts mehr gemein hat.
Unsere Eltern haben das Waldsterben noch halbwegs abgewendet. Dafür haben wir heute den Treibhauseffekt und Klimawandel. Schmelzende Pole und immer extremeres Wetter. Immer noch Kriege und sogar noch mehr Hunger – nur reden wir nicht mehr darüber. Und statt den Hunger zu bekämpfen kann man heute sogar auf Lebensmittel spekulieren – und damit noch mehr Menschen leid zufügen. Und die, die vor Hunger und Elend fliehen lassen wir ertrinken oder schicken sie direkt wieder zurück. Wir können ja nicht alle retten.
Wir schaffen es noch nicht mal unserer Regierung in den Arsch zu treten endlich dafür zu sorgen, dass wenigstens Teile des Kyoto-Protokolls zumindest hier in unserem reichen Land umgesetzt werden. Aber irgendeiner muss doch damit mal anfangen, wenn wir für Euch noch was retten wollen?
Es tut mir leid, dass meine Generation – als wir das richtige Maß an jugendlicher Selbstüberschätzung und kindlicher Naivität hatten um unseren Eltern in den Arsch zu treten – nicht aufgestanden ist und geschrien hat »STOPP! IHR LAUFT IN DIE FALSCHE RICHTUNG!«
Es bleibt mir zu hoffen, dass es meine Generation doch noch irgendwie schafft. Aber ich verliere mehr und mehr meinen Glauben daran und meinen Antrieb gegen die Windmühlen zu kämpfen. Auch das tut mir leid. Aber mein Gefühl der Ohnmacht wird von Tag zu Tag größer.
Ich hoffe, ist es Deine Generation die sich eines Tages hinstellt und uns fragt: »Warum habt Ihr nichts getan? Wo wart Ihr als der Planet kaputt ging?« und hoffentlich zieht Ihr die richtigen Lehren daraus und rettet, was noch zu retten ist.
Es tut mir leid, das auch wir versagt haben.